#RechtAufZukunft

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ÖSTERREICHISCHE KLIMAKLAGEN

Klimaklage gegen klimaschädliche Subventionen

Grundrechte wie das Recht auf Leben, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (aus welchem sich das Recht auf Gesundheit ableitet), sowie Schutz des Eigentums beinhalten auch eine Schutzpflicht des Staates. Der Staat hat seine Bürgerinnen und Bürger vor vorhersehbaren und schädlichen Eingriffen in diese Rechte zu schützen. Missachtet der Staat diese Schutzpflicht ohne Vorliegen von Rechtfertigungsgründen werden Grund- und Menschenrechte verletzt. Die Schutzpflichten müssen aber iZm mit den Folgen der Klimakrise erst gerichtlich anerkannt werden. Neben dieser inhaltlichen Frage beinhaltete dieses Verfahren auch die wesentliche Frage, ob und wie diese Rechte überhaupt eingefordert werden können. Denn nur ein Recht, dass ich geltend machen kann, ist in der Realität mehr wert als ein Stück Papier. Die Frage ist also wie die Tür zum Gerichtssaal aufgemacht werden kann.

In Österreich kann die Untätigkeit des Staates verfassungsrechtlich nicht bekämpft werden. Aus diesem Grund adressierte dieses Verfahren  klimaschädliches Handeln. Im Auftrag von Greenpeace und 8.063 Betroffenen habe ich die Aufhebung von klimaschädlichen Steuerausnahmen beantragt. Ausnahmen im Umsatzsteuergesetz für internationale Flüge sowie die Steuerbefreiung von Kerosin für Inlandsflüge stellen eine aktive Förderung des Flugverkehrs dar. Dies obwohl ein Flug rund 31 mal klimaschädlicher ist als eine Bahnfahrt.

Die rechtliche Grundlage für die Anträge basiert auf Art 2 und 8 EMRK und Art 2 und 7 der Grundrechtecharta, sowie auf dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz. Der Antrag beinhaltet einen Vorabentscheidungsantrag vor dem Europäischen Gerichtshof betreffend die Rechtsnatur des Art 37 Grundrechtecharta. Zu klären ist, ob Art 37 ein Recht auf Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung ist oder nicht einklagbares Ziel. Durch einen Individualantrag zeigten wir exemplarisch das Systemversagen und die Notwendigkeit für einen Systemwechsel auf. Letztlich stellten wir mit dieser Klimaklage auch eine entscheidende Frage an den Verfassungsgerichtshof: Haben wir Menschen in Österreich ein Recht auf Klimaschutz?

Nachdem der Verfassungsgerichtshof sich mit dieser Frage nicht auseinandergesetzt hat, sondern den Antrag kurzer Hand zurückgewiesen hat, wurde eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof Menschenrechte (EGMR) im Frühjahr 2021 eingebracht. Denn Art 13 EMRK gewährt ein Recht auf eine wirksame Beschwerde, wenn Grundrechte in Gefahr sind. Derzeit bietet unsere Verfassung jedoch keine Möglichkeit Grundrechtsschutz vor der größten Krise unserer Zeit einzufordern.

Ich habe daher einen neuen Antrag gegen klimaschädliche Subventionen des Flugverkehrs im Namen einer, von der Klimakrise besonders betroffenen, Person im März 2022 eingebracht. Dieses Verfahren ist noch vor dem Verfassungsgerichtshof anhängig.

Generationenklage: 12 Kinder und Jugendliche bekämpfen das österreichische Klimaschutzgesetz vor dem Verfassungsgerichtshof

Während die Klimakrise auf unterschiedlichen Ebenen Ungleichheiten in der Gesellschaft fördert, trägt sie die gravierendste Ungleichbehandlung in sich selbst: Die Gruppe der Hauptverursacher:innen deckt sich nur sehr bedingt mit jener der Personen, die ihre katastrophalen Folgen zu tragen haben. So haben Kinder auf Grund ihrer besonderen Vulnerabilität bereits heute aber besonders in Zukunft die Hauptlast der Folgen der Klimakrise zu tragen, obwohl sie nur einen verschwind geringen Einfluss auf die Treibhausgasemissionen haben.

Die Rechte von Kindern sind in Österreich besonders geschützt. Sie stehen in einem eigenen Verfassungsgesetz, dem BVG Kinderrechte. Diese Rechte sind an die UN-Kinderrechtskonvention angelehnt und sollen garantieren, dass das Wohlergehen der Kinder geschützt wird, auch unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit.

Das aktuelle Klimaschutzgesetz wurde jedoch eingeführt, ohne diese Rechte zu berücksichtigen. Das derzeit gültige Klimaschutzgesetz (KSG) setzt seit 2021 überhaupt keine Treibhausgasziele fest. Die gesetzlichen Verpflichtungszeiträume gehören der Vergangenheit an. Darüber hinaus werden Maßnahmen, die zur Verringerung der Emissionen führen sollen, nicht anhand ihrer bewirkten Treibhausgas-Einsparung bewertet. Auch die Wirksamkeit der Maßnahmen kann nicht überprüft werden. Grundsätzlich besteht dem Gesetz nach nur eine Verhandlungs- und keine Umsetzungspflicht.

Teile dieses Gesetzes stehen somit im Widerspruch zu der verfassungsrechtlich verankerten Schutzpflicht, die gegenüber Kindern aktiv, präventiv und laufend wahrzunehmen sind. Auch sieht das Gesetz keine gerechte Lastenverteilung vor, wie es der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz gebieten würde. Derzeit wird auf Basis des KSG das gesamte Treibhausgasbudget, das uns wissenschaftlich für die Bekämpfung der Klimakrise verbleibt, einfach aufgebracht. Als gäbe es kein Morgen.

Aus diesen Gründe bekämpfe ich im Namen von 12 Kindern und Jugendlichen Teile des Klimaschutzgesetzes. Heute für morgen.

[EN]

AUSTRIAN CLIMATE CASES

Climate case against climate damaging subsidies

The right to life, the right to private and family life (which relates to situations that affect the quality of life, but are not life threating) contain the positive obligation of states to prevent harm. If states fail to comply with their duty to protect without justifiable reason, these rights are violated.

The Austrian constitution doesn’t allow for the state’s inaction to be challenged. Hence, this climate litigation focuses on climate-damaging state action. Greenpeace and 8.063 petitioners requested the Constitutional Court to invalidate tax exemptions, such as VAT-exemption on international flights and tax-exemption on kerosine domestic flights. Both add to the problem that flying is cheaper than taking the train, although a train ride is 31 times more climate friendly. The request arose out of Article 2 and Article 8 of the European Convention on Human Rights, Article 2 and Article 7 of the Charter of Fundamental Rights, and the principle of equality before the law.

The petition contained a request for a preliminary ruling with the European Court of Justice regarding the legal nature of Article 37 of the Charter of Fundamental Rights. While both tax exemptions are allowed for, they are not explicitly provided for in the respective EU directives. This claim asserted that Article 37 of the Charter of Fundamental Rights should be interpreted as creating an enforceable right to environmental and climate protection.

Based on individual claims, examples of the protection deficits in the legal system were highlighted and served to show that the system as a whole needs to change. Thereby one vital question was posed to the Court: do Austrians have an effective right to climate protection ?

The constitutional court dismissed the petitions in a short statement, disregarding the arguments and the underlying question at hand. This concludes that Austrians presently have no effective remedy available to claim protection on the basis of human rights, rights that are constitutionally granted. Therefore I took this case on behalf of a one particularly affected petitioner to the European Court of Human Rights (ECtHR). At present, the Austrian constitution does not offer any effective protection against the climate crisis.

In March 2022, I filed a new petition against climate damaging subsidies of the aviation sector on behalf of another particularly affected person.

Children of Austria v. Austria

On 21 February 2023, I filed a complaint on behalf of a group of Austrian children with the Austrian Constitutional Court. The applicants alleged that the Federal Climate Protection Act (Klimaschutzgesetz 2011) is, in part, unconstitutional for violating the constitutionally guaranteed rights of children and the fundamental right to equality before the law. The law, which was adopted in 2011, does not stipulate any emissions reduction targets after 2020. The lack of binding greenhouse gas emission reduction targets leads to persistently high emission levels on Austrian territory. We challenge the Climate Protection Act for (a) establishing commitment periods that only extend to 2020, (b) stipulating a pure negotiation obligation regarding the development of effective GHG reduction targets (instead of a mandate to take action) and (c) providing retrospective (instead of preventive) emergency measures in case of an exceedance of GHG ceilings established under international or EU law.

These provisions are unconstitutional as they infringe the Federal Constitutional Act on the Rights of Children which implements the UN Convention on the Rights of the Child on the national level. These grant subjective rights to children, i.e., persons under the age of 18 years. Under Art 1, every child has the right to have his or her best interests protected. This includes protection and care, the best possible development and the safeguarding of child interests. Art 1 requires these positive obligations to be carried out in consideration of intergenerational equity. In a similar vein, Art 24 CFR provides for the protection of children’s well-being.

Given the finite resource of the CO2 budget which remains if Paris goals are to be kept, the Austrian Climate Protection Act futher infringes the children’s rights to equality before the law. Neither are the respective provisions objectively suitable to achieve effective climate protection measures nor is the burden of climate measures equally distributed amongst the members of society. The lack of binding reduction pathways causes a rapid consumption of the remaining CO2 budget, which could be used up entirely already in 2025. Consequently, the GHG reduction burden is transferred to younger generations and not equitably distributed between all members of society. Younger generations are treated unequally compared to older generations as they bear the brunt of restrictions of freedom associated with emission reduction, especially as restrictions of freedom will be more severe the more time passes without action. Also they have to bear the burden of the present inaction regarding the climate crisis.

Therefore I, on behalf of 12 brave children, request parts of the Climate Protection Act to be repealed. The future of our children is decided by today’s action.

Fallunterlagen / Case Documents

Individualantrag von 12 Kindern und Jugendlichen gegen das österreichische Klimaschutzgesetz

Neuer Individualantrag/
New Petition to the Constitutional Court

Individualantrag/
Petition to the Constitutional Court

Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes/
Decision by the Constitutional Court

THE AUSTRIAN CLIMATE CASE-SUMMARY

Auszug der Presseaussendungen / Extract of press releases/ Videos

The Big Simple – Paris Agreement: Folge 2 – Das Dokument

Herausgeber: a1now.tv

The Big Simple – Paris Agreement: Folge 5 – Bitte wenden

Herausgeber: a1now.tv

Zug gegen Flug: 8.000 Greenpeace-Klimaklagen bei VfGH eingereicht

Herausgeber: derStandard, 20.2.2020

Wie in den Niederlanden Klimaschutz zum Gerichtsakt wurde

Herausgeber: derStandard, 18.2.2020 (Karin Riss)

“Der Staat fördert klimaschädliches Verhalten”

Herausgeber: Wiener Zeitung (Clemens Stachel), 28.01.2020

Digitale Republik_20200129_Seite 5 Interview Michaela Kroemer

Greenpeace startet die ersten Klimaklagen in Österreich

Herausgeber: Puls24, 5.12.2019

Zug statt Flug: Aufruf zu Klagen wegen Airline-Bevorzugung

Herausgeber: derStandard, 5.12.2019, lauf

Recht auf Zukunft

Herausgeber: Greenpeace Österreich, 29.8.2019

© Stefan Fürtbauer